Donnerstag, 2. Mai 2019

E-Pick-up: 275PS und 1400Nm, 80kWh Akku, 300km Reichweite, Chevrolet Silverado


Etwa 90 km südlich von Berlin, in Falkenberg-Elster, betreibt Sven Richter die RiPower GmbH - ein Unternehmen, dass sich auf die elektrische Umrüstung von Fahrzeugen und Booten spezialisiert hat.

Um zu demonstrieren, dass man Akkus und Elektromotoren in jedes Auto einbauen kann, wurde ein Chevrolet K1500 Silverado umgebaut. Dieses Fahrzeug ist Baujahr 1998 und musste deswegen vor der Umrüstung von Grund auf restauriert und konserviert werden. Dieser typisch amerikanische Pick-up sollte danach natürlich nicht nur in der Halle stehen, sondern voll geländegängig sein, eine hohe Wattiefe haben, damit Boote geslippt werden können, auch eine entsprechende Anhängelast und, bei Elektroautos immer sehr wichtig, eine adäquate Reichweite und Leistung.


Besonders die Bedingung, dass das Fahrzeug allradtauglich bleiben soll, erwies sich als schwieriger zu realisieren als zuerst angenommen. Nachdem die gewaltige Leistung der Elektromotoren mehrere Getriebe-Elemente zerstört hatte und sich auch ein Getriebe aus einem Dodge Ram nicht als haltbar erwiesen hat, wurde darauf völlig verzichtet. Man kann mit dem Pick-up jetzt nicht mehr über 220 km/h auf der Autobahn fahren, hat aber einen extrem haltbaren Antrieb. So gibt es jetzt zwei Motoren an zwei unabhängigen Antriebssträngen.

An der Hinterachse sitzt ein Doppelter Drehstromasynchronmotor (HA Fimea N80X2). Doppelmotor bedeutet, dass zwei elektrisch getrennte Motoren auf einer Welle und in einem Gehäuse eingebaut sind. Diese Maschine kostet 10.699€. Der Motor auf der Vorderachse ist ein Prototyp aus Russland und wird nicht mehr verkauft, obwohl er hervorragend funktioniert.

Die Allrad-Funktion lässt sich jetzt völlig elektronisch zuschalten. Das zur Verfügung stehende Gesamt-Drehmoment beträgt nun 1400 Newtonmeter. Damit lässt sich auch dieses schwere Fahrzeug, mit der Aerodynamik eines Scheunentors, sehr anständig beschleunigen.

Als Controller werden drei bewährte Modelle (1239E-8521) des Herstellers Curtis verwendet. Diese können mit bis zu 170V betrieben werden und maximal 500A abgeben. Der Preis beträgt ca. 3800€ pro Controller.


Damit trotzdem eine hohe Reichweite zur Verfügung steht, wurden insgesamt 80 kWh an Lithium-Akkus des Typs 18650 eingebaut. Das sind insgesamt 7872 Einzelzellen, verschaltet in 32 Packs á 41S6P. Daraus ergibt sich eine Gesamtspannung von ca. 150V. Die Zelle ist eine Sony Konion VTC5 mit einer maximalen dauerhaften Stromabgabe von 30A. Eine gute Bezugsquelle für diese Zellen ist NKON B.V. in den Niederlanden. Eine anschlussfertige Kilowattstunde kostet bei RiPower rund 690€ inkl. MwSt.


Um die Akkus beim Slippen von Booten nicht zu versenken, wurde ein kleiner Teil der Ladefläche genutzt. Dadurch müssen die Akkukisten nicht perfekt wasserdicht gebaut werden. Die verwendeten Sony Konion Zellen sind für besonders hohe Entladeströme optimiert und lassen sich auch bei einem derart großen Akku völlig ohne Batteriemanagementsystem betreiben. Wer das nicht glaubt, kann gerne nachmessen. Auch auf zwei Dezimalstellen genau gibt es keinerlei Abweichungen in den Einzelspannungen.

Vorbereitete Akkupacks, die auf ihren Einbau in ein weiteres Fahrzeug warten.
Die Akkus werden nicht verschweißt, sondern verlötet, um noch höhere Entladeströme zu realisieren. Damit diese Ströme immer zur Verfügung stehen, wird der Akku bei niedrigen Temperaturen mit einer Heizfolie auf Temperatur gehalten. Die Leistung wird natürlich geregelt und beträgt weniger als 300W.
Als Heizung für den Innenraum werden drei Luftheizmodule mit je 1,5kW verwendet. Diese sind in drei Stufen schaltbar und sorgen für mollige Wärme ohne, dass der Motor auf Betriebstemperatur kommen muss.


Das Fahrzeug hat eine Gesamtlänge von 5,5 m, eine Breite von knapp 2 m und eine Höhe von 1,9 m. Nach dem Umbau beträgt das Leergewicht ca. 2,8 t. Das sind gerade einmal 300 kg mehr als das Original hatte.


Die Höchstgeschwindigkeit ist von 165 km/h auf ca. 210 km/h gestiegen. Der Verbrauch mit dem originalen V8 5,7 l Motor (184kW) betrug ca. 30 l Benzin auf 100 km und jetzt ca. 28kWh.


Für besonders weite Strecken, z.B. zum Meer, wurde noch ein Reichweiten-Verlängerer konstruiert. Dieser wird auf die Ladefläche gehoben und ermöglicht so beinahe unbegrenzte Reichweiten. Der Verbrauch dabei kann sich sehen lassen. Bei Autobahn-Geschwindigkeit verbraucht der schwere Pick-up, ein Segelboot auf dem Anhänger und das Aggregat auf der Ladefläche, ca. 8 l auf 100km. Der Motor leistete ursprünglich in einem VW Lupo seine Dienste und ist ein 1,4l Diesel mit einer Spitzenleistung von 35kW.



Im Moment steht noch eine Mercedes-Benz G-Klasse auf der Hebebühne und wartet ebenfalls auf ihren Umbau.


Eine deutlich frühere Umrüstung in Form einer Mercedes-Benz C-Klasse wird täglich von seiner Frau bewegt und verursacht durch den Umbau sehr niedrige Unterhaltskosten. Bei diesem Umbau wurden noch keine 18650 Lithium Zellen benutzt sondern große Blocks in LiFeYPo4 Chemie. Diese wurden unterhalb des Kofferraums und unter der Motorhaube eingebaut. Das originale Schaltgetriebe existiert noch, der dritte Gang kann aber immer eingelegt bleiben. Für ein besonders hohes Drehmoment oder besonders hohe Geschwindigkeiten kann man schalten, muss man aber nicht. Durch die äußerst günstige Aerodynamik liegt der durchschnittliche Verbrauch bei nur 12kWh/100km.


Abschließend möchte ich mich bei Sven Richter für seine Zeit und Expertise bedanken. Falls noch Fragen offen geblieben sind, können diese gerne in den Kommentaren gestellt werden.

1 Kommentar:

  1. "... durchschnittliche Verbrauch bei nur 12kWh/100km."

    das entspricht (nach Heizwert) etwa 1,5 L Benzin / 100 km, richtig?
    Sehr beeindruckend.

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